Eine pünktliche Bahn – eine Utopie?

„Der ICE 307 nach Hamburg, Abfahrt 14.07 Uhr, fährt heute ca. 50 Minuten später ab. Wir bitten Sie, die Verspätung zu entschuldigen.“ Augenrollen, Stöhnen, genervtes Schnauben. Ich fahre häufig mit der Bahn und ich liebe Bahnfahren. Aber ich hasse die Deutsche Bahn AG und die deutschen Verkehrsminister der letzten Jahrzehnte.

Es ist doch ein Desaster, dass bei 8 von 10 Fahrten irgendetwas nicht funktioniert. Mal ist es die Klimaanlage, mal eine kaputte Tür, mal eine Systemstörung, mal ein Ölverlust oder ein Rechnerabsturz, dann die „verspätete Zurverfügungstellung des Zuges“. „Das geht nicht besser“, denken nun vielleicht einige von Ihnen. 

Ich dagegen sage: Natürlich ginge das!

Entwicklungsland Deutschland

Japan ist ein gutes Beispiel, das zeigt, dass Fahren mit der Bahn und anderen Systemen des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs ein echtes Erlebnis sein kann. Dort können Sie nämlich mit nur einer App Ihre Reise mit Bus, Bahn und allen weiteren Verkehrsmitteln organisieren. Auf einen Blick finden Sie dort alles, was wichtig ist: Fahrpläne, Tickets, aktuelle Informationen – und in der Sprache Ihrer Wahl. Und die Verspätung ALLER Shinkansen-Schnellzüge im Jahr zusammengerechnet betragen – jetzt halten Sie sich fest – ca. 10 Minuten. 

Als ich das hörte, habe ich geheult! Warum? Weil durch dieses Beispiel deutlich wird, dass wir in einem Mobilitäts-Entwicklungsland leben!

Versagen auf allen Ebenen

Attraktive Alternativen zu dem Verkehrswahnsinn auf unseren Autobahnen und in unseren Städten wärenmöglich wenn die Verantwortlichen in der Politik ihren Fokus verändern würden. Nur leider liegen die Verkehrspolitiker in den Ländern wie im Bund engumschlungen im gleichen Bett und träumen den gleichen Traum vom Autoland Deutschland. Und die Managementqualitäten der Verantwortlichen bei der Bahn scheinen schon seit Jahren ausgesprochen begrenzt zu sein, anders kann man sich den „Output“ des Staatsunternehmens Deutsche Bahn AG nicht erklären.

Die Rolle der Nutzer des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs hat in der Politik noch nie eine relevante Rolle gespielt: Ihre Interessen wurden schlichtweg ignoriert. Deshalb wurden unsere Städte über Jahrzehnte zu Betonwüsten. die ausschließlich der Mobilität von Autofahrern dienen. Deshalb wurden in der Stadtentwicklung Jahrzehntelang die Interessen von Menschen, die zu Fuß gehen oder Fahrrad fahren, genauso ignoriert.

Deshalb sind unsere Städte heute wie sie sind.

Aber das ändert sich jetzt endlich. Überall in den Kommunen, den Ländern und sogar im Bund beginnen die Autofetischisten zu begreifen, dass sie uns in eine Sackgasse gefahren haben.

Fahrradschnellwege, intelligente Mobilitätskonzepte, bei denen die unterschiedlichen Mobilitätsangebote verknüpft werden, Ausbau der Elektromobilität sowohl im ÖPNV als auch im Individualverkehr, mehr Investitionen in die Infrastruktur der Bahn, vor allem aber die Digitalisierung der Angebote werden uns helfen, in den nächsten Jahren endlich zu einer deutlichen Verbesserung der Situation zu gelangen.

Ein großes Umdenken

Wir stehen am Anfang eines großen Umdenkens in unserer Gesellschaft. Auch bei diesem wichtigen Thema der Mobilität. Das macht mir Hoffnung, dass es uns gelingen kann, endlich zeitgemäße Mobilitätsangebote zu entwickeln und unsere Städte dabei lebenswerter zu gestalten. Das wird bedeuten, dass wir deutlich mehr Lebensqualität in unseren Städten bekommen und davon werden wir dann alle profitieren.

Und wenn es dann noch der Deutschen Bahn gelingt, dass wir in allen Zügen funktionierendes WLAN bekommen, dann kann ich auch endlich auf der Fahrt von Wuppertal nach Düsseldorf in Ruhe im Netz surfen und es genießen, dass ich nicht hinter dem Lenkrad eines Autos mal wieder im Stau stehe.

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2 Kommentare. Leave new

  • Ich stimme voll zu, dass Japan ein sehr rühmliches Beispiel ist. Schließlich kenne ich das aus 3 Jahren leben in Japan. Ich versuche dann immer die Gründe zu verstehen. Es ist recht einfach: Die Japaner sind extrem viel pflichtbewusster und ordentlicher als wir. Und mit dieser kulturellen Haltung erarbeiten sie dann Maßnahmen, die wir in der Regel nur kopfschüttelnd kommentieren: das ist doch unmöglich. Bei der Bahn zum Beispiel werden ALLE Gleise JEDE Nacht kontrolliert und repariert. Auf Shinkansen Gleisen fahren NIE Güterzüge. Und es kommt ja noch toller: Damit ist die Sicherheit und Zuverlässigkeit dieser Züge so groß, dass sie in der Rush hour im 3 Minuten Takt mit 300 km/h fahren.
    Ich könnte fast jeden Lebensbereich in Japan entsprechend kommentieren: Wer weiß schon, dass die Lebenserwartung der Japaner 1965 gleich hoch war wie die der Deutschen, heute aber rund 7 Jahre höher? Das kann nicht am Fisch essen liegen, denn das haben die Japaner auch damals gemacht. Nein: Es ist die Hygiene und die Medizin. Und jetzt habe ich mich auch gefragt: Warum ist da das Verhalten anders? Es führt leider zu weit. Aber wir können uns nur schämen, wenn man die Vergleiche anstellt.

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  • Bundesbahner
    6. Januar 2019 21:26

    Es gibt nur einen Weg und zwar den zurück zur Deutschen Bundesbahn und auf kommunaler Ebene zurück zu den Stadtwerken. Ich bin Mitarbeiter in einer Leitstelle des öffentlichen Nahverkehrs in einer großen deutschen Stadt deshalb kann ich Ihnen dazu auch was sagen. In Ihrem Artikel fehlt mir die Sichtweise der Verkehrsunternehmen und Verbünde. Sie schreiben aus Fahrgastsicht und diese ist nun mal ein Wunschdenken. Weitere Zerschlagung der Unternehmen wie die der Bahn und Co. oder der Schaffung von Konkurrenz bewirkt nur Chaos. Ich war schon in vielen Leitstellen in Deutschland und der Schweiz sowie bei der DB Netz AG im Rahmen von Fortbildungen. Die Politik geht diese Sache falsch an. Es kann einfach nicht funktionieren, wenn auf jeder Linie ein anderer Betreiber fährt, wie z.B. im Busverkehr bei uns. Der Fahrgast hat verschiedene Ansprechpartner. Die Unternehmen treten zwar unter einer gemeinsamen Marke auf, jedoch steckt zu viel Bürokratie dahinter. Beispiel: Mein Arbeitgeber war früher eine klassische Stadtwerke. Bus, Straßenbahn und U-Bahn, Strom, Gas und Co. unter einem Dach. Wir wurden zerschlagen und teilweise Privatisiert. Der Busverkehr wurde in eine separate Gesellschaft gesteckt sowie der Schienenverkehr. Rechtlich gesehen zwei verschiedene Firmen jedoch unter dem Dach der Holding. Die Buslinien wurden ausgeschriebenen und aus ganz Europa konnten sich Unternehmen bewerben. Aktueller Status ist, das neben dem eigenen Busbetrieb in der Holding noch weitere Busunternehmen den Verkehr abwickeln. Früher war es so: Es lag eine Störung auf der U-Bahn vor, zack im Betriebshof bei den Bussen angerufen und die Bereitschaften sind ausgefahren als Schienenersatzverkehr. Schnell, effektiv und alle waren glücklich. Heute ist es so, dass man zwar anrufen kann aber a) gibt es heute einfach keine Bereitschaften mehr in dem Umfang, b) die Busfahren kennen gar nicht mehr die Wege weil einfach keine Zeit und Geld vorhanden ist diese dafür zu Schulen und c) es müssen gegenseitig Rechnungen geschrieben werden. Andere Unternehmer die ebenfalls in der Stadt unterwegs sind kann man sowieso in der Pfeife rauchen weil dort Fahrer aus ganz Deutschland oder Europa unterwegs sind mit Null Ortskenntnis.
    Ich will damit nur sagen, dass der Nahverkehr keinen Gewinn bringt und in staatliche Hände gehört um diesen Effektiv zu managen. Geld muss auch in die Hand genommen werden. Japan ist mit Deutdchland nicht zu vergleichen, ganz anderes System. Ein besseres Beispiel ist die Schweiz, dort wird aber auch Geld in die Hand genommen. Bei der Bahn läuft es nicht besser: Alles läuft bei der DB Netz AG als zentrale Leitstelle zusammen. Jedoch ist das Chaos vorprogrammiert: Die DB Regio hat eine eigene Leitstelle mit zig Zweistellen in Deutschland, DB Güterverkehr und die DB Fernverkehr. Die einzelnen Leitstellen der S-Bahnen darf man auch nicht vergessen. Bis die alle sich grün untereinander werden vergeht viel zu viel Zeit. Des Weiteren ist die DB Netz AG gar nicht weisungsbefugt. Und die Fahrgastinformation erfolgt dann über die drei S Zentrale. So kommt es zu Verzögerungen bei der Informationsweitergabe. Das ist Murks. Und ja: Früher war es besser. Alles aus einer Hand.

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